„Industrie 4.0“
Dezember 3, 2016
Im Zeitalter der Informationsüberflutung werden gerne Schlagworte geprägt, mit denen man erfolgreich in den medientechnischen Kampf ziehen kann.
„Industrie 4.0“ ist ein solches Schlagwort.
Eigentlich ist es ein „Meta“-Schlagwort, ein übergreifendes Schlagwort, das eine Vielzahl von weiteren Schlagwörtern umfasst und bündelt.
Das wird deutlich, wenn man z.B. die Erklärungen zu „Industrie 4.0“ in Gablers Wirtschaftslexikon ansieht:
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/industrie-4-0.html
Da ist von „Hightech-Strategie“, „Hybridisierung der Produkte“, „teilautonomen Maschinen“, „3D-Druckern“, „cyber-physischen Systemen“ und nicht zuletzt vom viel strapazierten „Internet der Dinge“ die Rede.
Es versteht sich von selbst, dass die interessierten Wirtschaftskreise zunehmend von der „Industrie 4.0“ schwärmen und gleichzeitig damit drohen, dass unser Wohlstand gefährdet sei, wenn nicht schnell mit der Digitalisierung und Internetisierung der Wirtschaft und Produktion Ernst gemacht werde, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Das Bundeswirtschaftsministerium (Chef: Der SPD-Parteivorsitzende) stösst laut ins Horn:
https://www.bmwi.de/DE/Themen/Industrie/industrie-4-0.html
Die Bundesregierung trompetet:
http://www.hightech-strategie.de/de/Industrie-4-0-59.php
Auch die Forschung und Entwicklung engagiert sich heftig:
https://www.fraunhofer.de/de/forschung/forschungsfelder/produktion-dienstleistung/industrie-4-0.html
Selbstverständlich sind alle wichtigen Adressen der Wirtschaft dabei, z.B.:
http://www.siemens.com/entry/de/de/ingenuity-for-life/optima/
Da geht manchmal ein wenig unter, worum es eigentlich geht. Es geht um die Menschen, insbesondere die (noch) beschäftigten Arbeitnehmer und Angestellten, diejenigen, die nur ihre Arbeit anzubieten haben, die nicht mit ihrem Kapital in andere Weltgegenden flüchten können, die keine Steuerparadiese kennen und nutzen.
Den Siemens-Chef Joe Kaeser hat schon eine Ahnung beschlichen, wenn er neuerdings über das bedingungslose Grundeinkommen nachdenkt, wie es auch die Digitalisierungs-Matadore aus dem Silicon Valley tun:
Auch die Gewerkschaften beschleichen gemischte Gefühle, wenn sie an die propagierte Entwicklung denken:
https://www.igmetall.de/industrie-4-0-12783.htm
Zurück zu der eingangs erwähnten Erklärung aus Gablers Wirtschaftslexikon sollte man sich den letzten Absatz genauer anschauen:
3. Kritik und Ausblick: Als Marketingbegriff entzieht sich „Industrie 4.0“ – wie „Web 2.0“ und „Web 3.0“ – ein Stück weit einer wissenschaftlichen Präzisierung. Die Frage ist, was man zur Industrie zählt, was als Industrialisierung bezeichnet werden und ob Industrialisierung (die mit Kommerzialisierung verbunden sein mag) ein wertendes Konzept bedeuten kann. Vorteilhaft sind u.a. Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz, Verbesserung von Ergonomie und Erhöhung von (bestimmten Formen der) Sicherheit. Nachteilig ist, dass die komplexen Strukturen der Industrie 4.0 hochgradig anfällig sind. Autonome Systeme können sich falsch entscheiden, entweder weil sie unpassende Regeln befolgen oder Situationen und Vorgänge unkorrekt interpretieren. Sie können Menschen verletzen und Unfälle verursachen, was die soziale Robotik allerdings gezielt zu bekämpfen versucht. Automatisierte Entscheidungen in moralischer Hinsicht, mithin die damit zusammenhängenden Probleme, sind Thema der Maschinenethik. Die Informationsethik beschäftigt sich damit, dass die Systeme manipuliert und gehackt, dass sie falsche Daten benutzen und falsche Informationen liefern und in feindlicher Weise übernommen werden können. In selbstständig fahrenden Autos und in vernetzten Häusern (Smart Living) werden wir zu gläsernen Bürgern, angesichts medizinischer Roboter und elektronischer Akten zu gläsernen Patienten. Die Arbeitsethik kommt hinzu, wenn es um die Ersetzung von Arbeits- und Fachkräften durch (teil-) autonome Maschinen geht.
Der Brexit und Erfolg von Donald Trump lassen grüssen.